Mit dem RIRL-UG soll die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz, (EU) 2019/1023, umgesetzt werden. Es ist die Schaffung eines europaweit harmonisierten präventiven Restrukturierungsrahmens beabsichtigt, der es bestandfähigen Unternehmen über ein gerichtliches, vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren ermöglichen soll, sich zu restrukturieren, um so unnötige Liquidationen einzuschränken.
Die näheren Details des brandneuen Gesetzesentwurfs finden Sie in unserem neuen Beitrag.
Richtlinienumsetzung:
Entsprechend der Richtlinie (EU) 2019/1023 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) sind die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung derselben bis zum 17.07.2021 verpflichtet. Mit dem am 23.02.2021 in Begutachtung geschickten Ministerialentwurf zum Restrukturierungs-und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRL-UG), soll diese Richtlinie in Österreich umgesetzt werden.
Ziel des RIRL-UG, mit dem eine Restrukturierungsordnung (ReO) geschaffen und die Insolvenzordnung (IO) geändert wird, ist es, Unternehmen, deren Insolvenz wahrscheinlich ist, durch wirksame Frühwarnsysteme und „präventive Restrukturierungsrahmen“ die Möglichkeit zu geben, die Insolvenz zu vermeiden und so ihre Überlebensfähigkeit sicherzustellen.
Wie komme ich zu einemRestrukturierungsverfahren?
Gemäß § 1 Abs 1 ReO sind Restrukturierungsverfahren nur auf Antrag eines Schuldners bei dem auch für ein Insolvenzverfahren zuständigen Gericht einzuleiten. Grundvoraussetzung ist die wahrscheinliche Insolvenz des Schuldners. Eine solche liegt dann vor, wenn der Bestand des Unternehmens des Schuldners ohne Restrukturierung gefährdet wäre; dies ist insbesondere gegeben, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht oder die Eigenmittelquote 8% unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt. Ein Restrukturierungsverfahren ist nicht einzuleiten, wenn ein solches oder ein Sanierungsverfahren vor weniger als sieben Jahren eingeleitet wurde.
Vom Anwendungsbereich des ReO ausgenommen sind insbesondere Rechtsträger gemäß § 1Abs 1 Z 1-3, 5 und 9 VAG 2016, Kreditinstitute gemäß § 1 Abs 1 BWG, öffentliche Stellen (Behörden) und natürliche Personen, die keine Unternehmer sind (vgl. § 2 ReO). § 3 ReO definiert die vom Anwendungsbereich des ReO ausgenommenen Forderungen. Dazu zählen sämtliche Forderungen von Arbeitnehmern, nach Einleitung des Restrukturierungsverfahrens entstehende Forderungen sowie Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art.
§ 7 ReO normiert die inhaltlichen Erfordernisse des Antrags auf Einleitung des Verfahrens. Dieser hat insbesondere einen Restrukturierungsplan oder ein Restrukturierungskonzept, ein unterfertigtes Vermögensverzeichnis, einen Finanzplan – das ist eine unterfertigte Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben für die folgenden 90 Tage (bei Verlängerung der Vollstreckungssperre ist auch der über 90 Tage hinausgehende Zeitraum zu umfassen) – sowie Jahresabschlüsse, zu denen der Schuldner nach Unternehmensrecht verpflichtet ist, zu enthalten. Ferner ist darzulegen, dass mit dem Restrukturierungskonzept die Bestandfähigkeit des Unternehmens erreicht werden kann. Ein Antrag ist unzulässig, wenn der Restrukturierungsplan bzw. das -konzept offenbar untauglich ist oder der Antrag missbräuchlich gestellt wird.
Erfüllt ein Antrag nicht die inhaltlichen Erfordernisse, so ist dieser gemäß § 7 Abs 4 ReO binnen einer vom Gericht festzulegenden Frist von maximal 14 Tagen einer Verbesserung zugänglich.
Sofern der Schuldner keinen Restrukturierungsplan gemäß § 23 ReO, sondern nur ein Restrukturierungskonzept (beinhaltend die in Aussicht genommenen Restrukturierungsmaßnahmen, eine Auflistung der Vermögenswerte sowie die Verbindlichkeiten im Zeitpunkt des Antrags auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens einschließlich einer Bewertung der Vermögenswerte) vorlegt, hat das Gericht dem Schuldner auf dessen Antrag eine Frist von höchstens 60 Tagen zur Vorlage des Restrukturierungsplans einzuräumen. Wird ein solcher Antrag nicht zugleich mit dem Antrag auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens gestellt, so ist ein Restrukturierungsbeauftragter zur Unterstützung zu bestellen, der den Schuldner bei der Ausarbeitung des Restrukturierungsplanes zu unterstützen hat.
Prinzip der Eigenverwaltung
Gemäß § 16 ReO behält der Schuldner während dem vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahren ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über seine Vermögenswerte und sein Unternehmen. Es können jedoch bestimmte Rechtshandlungen gerichtlich verboten oder von der Zustimmung des Gerichts oder eines bestellten Restrukturierungsbeauftragten abhängig gemacht werden.
Vollstreckungs-und Insolvenzsperre
Auf Antrag des Schuldners kann zur Unterstützung der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen für maximal drei Monate erwirkt werden; eine Verlängerung bis zu sechs Monaten ist allerdings möglich (Vollstreckungssperre). Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht von einer derartigen Anordnung einer Vollstreckungssperre absehen, bspw. wenn diese nicht erforderlich ist oder der Schuldner bereits zahlungsunfähig ist. Grundsätzlich sind alle Arten von Forderungen, einschließlich besicherter Forderungen von der Vollstreckungssperre erfasst (§19 ReO). Die Verwertung verpfändeter Finanzwerte und Einziehung zedierter Forderungen ist jedoch möglich (vgl. Erl zu § 19).
Unter gewissen Voraussetzungen ist die Vollstreckungssperre über Antrag eines Gläubigers bzw. vom Gericht amtswegig, nach Einvernahme des Schuldners und des Restrukturierungsbeauftragen, aufzuheben (§ 20 Abs 4 ReO). Auf Antrag des Schuldners oder des Restrukturierungsbeauftragten ist die Vollstreckungssperre jedenfalls aufzuheben.
Während der Dauer der Aussetzung gilt grundsätzlich auch eine Insolvenzsperre. Für den Fall, dass ein Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit im allgemeinen Interesse der Gläubiger (vgl. § 30 ReO) liegt, kann ein solches auf Antrag eines Gläubigers dennoch eröffnet werden. Über das Vorliegen des allgemeinen Gläubigerinteresses hat das Gericht zu entscheiden (§ 21 Abs 3 ReO).
Zum Restrukturierungsplan (§§ 23 ff ReO)
Der Mindestinhalt ähnelt einem Sanierungsplanantrag mit Eigenverwaltung. Insbesondere hat der Plan aber eine Auflistung der betroffenen und nicht betroffenen Gläubiger und deren Forderungen sowie die Höhe der Forderung der jeweiligen Gläubigerklassen zu enthalten. Zusätzlich ist ein Vergleich mit dem allgemeinen Gläubigerinteresse (vgl. § 23 Abs 2 Z 9 ReO) anzustrengen. Außerdem ist dem Plan eine Liste der betroffenen Gläubiger (mit Namen, Adresse und Email) anzuschließen.
Für die Annahme eines Restrukturierungsplans ist eine Einteilung der Gläubiger in Klassen gemäß § 24 ReO erforderlich (Ausnahme: KMU’s).
Die Abstimmung über die Annahme des Restrukturierungsplans erfolgt in einer Restrukturierungsplantagsatzung durch die betroffenen Gläubiger. Angenommen ist der Plan dann, wenn in jeder der gebildeten Gläubigerklassen die Kopfmehrheit der anwesenden betroffenen Gläubiger erreicht wird und die Summenmehrheit 75% beträgt. Ferner ist eine gerichtliche Bestätigung des Plans erforderlich (vgl. § 29 Abs 1 und 2 ReO). Wird der Restrukturierungsplan nicht in jeder Abstimmungsklasse von den betroffenen Gläubigern angenommen, so kann dieser unter gewissen Voraussetzungen auf Antrag des Schuldners trotzdem vom Gericht bestätigt werden (klassenübergreifender Cram-Down).
Der vom Gericht bestätigte Restrukturierungsplan ist für alle im Restrukturierungsplan genannten betroffenen Gläubiger verbindlich. Gläubiger, die an der Annahme des Restrukturierungsplans nicht beteiligt waren, weil ihnen der Plan nicht übermittelt wurde oder sie nicht zur Tagsatzung geladen waren, werden vom Plan nicht beeinträchtigt.
Rechtsbehelfe
Gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplans kann von jedem betroffenen Gläubiger Rekurs erhoben werden (grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung!).
Hat der Schuldner bei Angabe der vom Restrukturierungsplan nicht betroffenen Gläubiger wissentlich Gläubiger verschwiegen, so ist jeder betroffene Gläubiger, der ohne Verschulden außer Stande war, die zur Klage berechtigenden Umständen vor Bestätigung des Restrukturierungsplans geltend zu machen, innerhalb von 3 Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung des Restrukturierungsplans berechtigt, mit Klage den Anspruch auf Bezahlung des Ausfalls geltend zu machen, ohne die Rechte zu verlieren, die ihm der Restrukturierungsplan einräumt.
Vereinfachtes Restrukturierungsverfahren
In den Fällen des § 40 Abs 1 ReO kann auf Antrag des Schuldners vom Gericht, nach Einvernahme der betroffenen Gläubiger, über die Bestätigung eines Restrukturierungsplans entschieden werden, ohne ein Restrukturierungsverfahren einzuleiten. Dabei ist vom Schuldner eine Bestätigung eines Sachverständigen (Unternehmensführung, Unternehmensreorganisation, Unternehmenssanierung und Unternehmensliquidation) anzuschließen, mit dem unter anderem die Einteilung der Gläubigerklassen oder die Erfüllung des Gläubigerinteresses dargelegt wird.
Änderungen der IO
Durch das RIRL-UG werden Normen zum Schutz neuer Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und sonstiger Transaktionen im Zusammenhang mit der Restrukturierung von Unternehmen in die Insolvenzordnung eingefügt (§§ 36a, 36b IO). Ferner werden die Anfechtungsfristen bei Scheitern des Restrukturierungsverfahrens verlängert (§ 36c IO).
Auch die Bestimmungen zum Zahlungsplan werden entsprechend modifiziert (§§ 194 ff IO).
Zusätzlich zu den bisherigen Regelungen des Abschöpfungsverfahrens wird für Einzelunternehmer, die ein Restrukturierungsverfahren beantragt haben, die Möglichkeit der vollen Entschuldung nach Ablauf einer Frist von höchstens 3 Jahren mittels Tilgungsplan (erhöhte Kriterien: § 199 Abs 2 IO) eingeräumt. Das bisherige Abschöpfungsverfahren bleibt grundsätzlich unverändert; geändert wird die Begrifflichkeit des Abschöpfungsverfahrens in den Abschöpfungsplan.
Sonstige Änderungen bestehender Gesetze
Im Gerichtsgebührengesetz (GGG), im Gerichtlichen Einbringungsgesetz (GEG) und im Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG) werden insbesondere sprachliche Modifikationen, Anpassungen und Klarstellungen vorgenommen.
Zusammenfassung und erstes Fazit
Das neue Restrukturierungsverfahren steht im Zeichen des Schuldnerschutzes. Im Hinblick auf die bereits bestehenden Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen eines Insolvenzverfahrens scheint es aber deutlich höheren Anforderungen (formaler Art und bei der Abstimmung) zu unterliegen. Zudem sind wesentliche Forderungen (bspw. Arbeitnehmerforderungen) ausgeschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob die Sanierung eines Unternehmens im Wege der Bestimmungen nach der ReO von der Praxis angenommen wird.
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